afrika post, 4/2005 (Dezember), S. 64
Einmal Afrika und zürück
Erst ab dem Alter von 16 Jahren zugängliche Kunstausstellungen
sind selten. Nach dem Start in Bayreuth und Wien trägt Africa
Screams im Frankfurter Museum der Weltkulturen die Altersbeschränkung
unübersehbar auf dem Plakat.
Von Jan Rinke
Ein breit angelegter Querschnitt über die Darstellung des Bösen
in Afrika wirkt zunächst befremdlich. Wer um ein ausgewogenes
Afrikabild bemüht ist und versucht, sich nicht mit dem
Klischee des Katastrophenkontinents abspeisen zu lassen, dem
kann die Ankündigung nicht behagen: "Das Böse in Kino, Kunst
und Kult". Man fragt sich, ob die Kuratoren nicht schon damit in
eine political correctness-Falle stolpern.
Afrika schreit: vor Hunger, Krankheit, Kriegen, Zerfall von Staaten,
Korruption, Ausbeutung. Sicher. Eine Ausstellung, die Afrika
als Kontinent der Finsternis noch zementiert, scheint kaum
nötig. Doch der über 16 jährige Besucher wird schnell sehen,
dass es genau darum nicht geht.
Traditionelle Ritualmasken aus dem Kongo stehen am Beginn
der Ausstellung für die Strategie, das Böse zu bannen. Fetische
verdinglichen das Bedrohlich-Andere. Dargestellter Schrecken
verliert durch seine Benennung ein Stück seiner Macht.
Schließlich findet es in Form der traditionellen Masken Eingang
in gesellschaftliche Rituale und wird stabilisierend von der Kultur
in Dienst genommen. Bedrohung wendet sich ins Nützliche.
Schon hier wird deutlich, dass es nicht um Klischees sondern
Fragen der kulturellen Einbettung des Schreckens geht.
Dieser ethnologische Einstieg verdeutlicht den kulturellen Hintergrund
der Vieldeutigkeit von Schreckensbildern. Statt durch ein Gruselkabinett geht der Besucher auf eine Entdeckungsreise
durch Strategien der Beherrschung des Grauens. Dabei
ziehen sich die Ausstellungsstücke quer durch die Genres bis zu
Horror-Videos. Den Großteil bilden Arbeiten zeitgenössischer
Künstler, von denen einige inzwischen auch mit ihrem Schaffensort
auf der Sonnenseite des Kunstbetriebs angelangt sind.
Adaption kultureller Hintergründe
Es bleibt wenig nachvollziehbar, wie repräsentativ die Schrekkensdarstellungen
des schwarzen Kontinents sind, wo regionale
Besonderheiten liegen. Ein Indiz für die Qualität der
Auswahl sind die zahlreichen Bezüge zwischen den Exponaten,
die durch die Aufteilung in thematische Kabinette etwas auseinandergerissen
werden.
Der eindrückliche traditionelle Nagelfetisch aus dem Kongo im
ersten Raum der Ausstellung – einer mit Metallsplittern übersäten
Figur – über die Distanz einer Museumsetage in Dialog
mit der Installation Difumbe (1995–98) von Fernando Alvin,
in der ein Nagelfetisch mit einem aufgesetzten Christuskopf
erscheint. Alvin zieht hier eine Verbindung zwischen seinen
Bürgerkriegserfahrungen aus Angola mit der universalisierten
Leiddarstellung des Christentums.
Solche Adaptionen verschiedener kultureller Hintergründe
ziehen sich durch die gesamte Schau. Dominique Zinkpès Plastik
Le pape et le sexe zeigt ein mehrbeiniges Monster, einen
hybriden dürren Körper, bei dem sich die Verbindung von Sex
und Aids aufdrängt. Gleichzeitig erkennt man Francis Bacons
Portrait des schreienden Papstes Innozenz X. in einem Gesicht
des Monsters. Der Schrecken erscheint als gleichzeitig europäisches
Symptom.
Immer wieder tauchen Formen des Schreckens auf, in die
sich der Besucher gut herein denken kann. Sie schlagen in
unterschiedlicher Art Brücken zu zunächst unzugänglichen,
befremdlichen Exponaten, deren Skurrilität sich teilweise relativiert,
wenn man sich unsere eigenen Vulgärgenres vor Augen
hält. Horrorcomics und -videos wären möglicherweise auch
hierzulande stärker Teil des Alltags, wenn es keine Beschränkungen
des Jugendschutzes gäbe. Das Böse ist – frei ab 16 –
immer und überall.
»Museum der Weltkulturen