www.wilkhahn.de, November 2005


Friedensreich Hundertwasser – ein Sonntagsarchitekt: Ausstellung bis zum 05.02.2006 im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt

Vom Publikum geliebt, von der Architektenschaft gehasst: Wohl kein anderer Bauschaffender polarisierte so wie Friedensreich Hundertwasser. Das Frankfurter Architekturmuseum widmet dem Architekten, der keiner war, fünf Jahre nach seinem Tod eine umfangreiche Ausstellung.


Das Deutsche Architekturmuseum wagt sich weit aus dem Fenster. In Ungers' neorationalistischer Urhütte am Frankfurter Museumsufer passiert eine Nestbeschmutzung. Hundertwasser, der Prophet des Verschimmelungsmanifests, ist noch einmal auferstanden und geistert mit seinen bunten Traumbildern und den goldgestreiften farbschwangeren Phantasien durch die nüchternen Räume. Von der scheidenden Direktorin Ingeborg Flagge wurde ihm ein hübsches Hüttendorf gebaut. Hier sind sie jetzt in Modellen und Fotos alle versammelt: Das Wiener Fernwärmekraftwerk, der Bahnhof in Uelzen, die Kirche St. Barbara, das Ronald Mac Donald Haus und die vielen anderen Projekte des Meisters bilden einen trutzigen Kreis wie das Dorf des Asterix. Eine Bastion gegen die Herrschaft der Architekten-Architektur.

So wie Busladungen von Interessierten diese Bauwerke einst ansteuerten, ist auch jetzt das DAM gut gefüllt. So wie das Kalkül vieler Kommunalpolitiker in allen Teilen des Landes aufging, ein Hundertwasserhaus zu bauen, um die Stadt zu beleben, scheint sich die Retrospektive im DAM zum Kassenschlager zu entwickeln. Nach all dem frustrierenden Klinkenputzen für ihre Ausstellungen ist Ingeborg Flagge dieser Bestseller zu gönnen. Man kann sich nicht verkneifen, in dieser letzten Ausstellung eine besondere Abschiedsgeste zu sehen. Im DAM ist schon sehr viel gezeigt worden, aber dass nun der Erschaffer vieler Touristenmagneten posthum zum Architekten geadelt wird, ist mehr als nur eine weitere Werkschau. Es  ist die Einladung, sich mit einem Phänomen auseinanderzusetzen.

Hundertwasser war kein Architekt und ist doch gleichzeitig der berühmteste. Mit den unbequemen Ergebnissen einer Umfrage nach dem Lieblingsarchitekten deutscher Abiturienten wird sich die Architektenschaft wohl nie anfreunden. Doch der Gewinner Hundertwasser ist nicht wegzudiskutieren, höchstens mit dem vorschnellen Argument zu ignorieren, dass über Qualität von Kulturleistungen nicht abzustimmen sei. Machen denn die etablierten Baukünstler etwas falsch? Ist das Übertünchen, das Überzuckern und Verzieren, das Verhübschen am Ende doch wichtiger als der kultivierte Umgang mit Raum, Materialien, Wegeführungen oder Traditionen des Ortes?

Den Einstieg zum Verständnis findet man im Zentrum der Ausstellung. Er ist dort zu finden, wo der "Sonntagsarchitekt" als Maler auftritt. Zu akzeptieren ist am ehesten die Malerei des Malers. Es sind Architekturphantasien – vielleicht gar nicht so weit entfernt etwa von der "alpinen Architektur" eines Bruno Taut, der mit seinen Farben viel früher als populärer Anstreicher auftrat. Akzeptieren kann man auch Hundertwassers Übermalungen von Schwarzweiß-Fotografien anonymer Großwohnprojekte, Rebellionen gegen die industriell normierte Unterbringung von Menschen. Hundertwasser erzeugte Gegenbilder zu einer Welt, die eben nicht immer schön und schon gar nicht hübsch ist. Mit seinen Bauten behauptete er laut, schrill und sicher kitschig einen Anspruch auf Schönheit.

Es ist der Ausstellung zu wünschen, dass sie die Arroganz vieler Architekten bricht, über den Traum von einer schönen Welt gar nicht mehr zu sprechen und sich aus der Produktion von Bildern zurückziehen zu wollen. Die Macher der Ausstellung benutzen dazu einen geschickten Trick: Zwischen den manchmal bis zur Tragik komischen Werken, die konsequenterweise ohne Grundrisse und Schnitte präsentiert sind, sprechen auf Monitoren renommierte Architekten zu den Besuchern. Sie winden sich, ihre Kritik unangreifbar zu verpacken. Hier und da hört man sogar verhaltene Anerkennung. Mit einem Schmunzeln verlässt man die Ausstellung, über den ungewohnten Rummel im DAM, über die offensichtlichen Brüche der bunten Bauten, vor allem aber über das architektonische Establishment. Und darüber, dass wohl auch Ingeborg Flagge zum Abschied schmunzelt.

Jan Rinke


»Deutsches Architekturmuseum