db deutsche bauzeitung, 139. Jg., 2005, 9/05, S. 6


Schlossplatzdebatte

Soviel Romantik war nie in Berlin. Erhabenheit des Gipfels. Alpenglühen. Die Hauptstadtalpinisten zu Tränen zu rühren ist vielleicht die letzte und erste wirkliche Chance für den Palast der Republik. Zum Abschied zeigt 'Der Berg' der Architekten Raumlabor, dass die Schlossfraktion auf dem Feld der Romantik noch unterliegen könnte.
Über Jahre wurde die Unmöglichkeit des Wiederaufbaus als Argument für die leider fehlende zugkräftige Alternative bemüht. Noch das neueste von Philipp Misselwitz, Hans Ulrich Obrist und Philipp Oswalt vorgelegte Diskussionsbuch 'Fun Palace 200X: Der Berliner Schlossplatz' startet argumentativ bei der drohenden Brache.
Dabei ist eine Art Schloss baubar und mit Profis innerstädtischer Erlebnisklötze als PPP auch zu finanzieren. Das Verrutschen der Reihenfolge von public und private wird dabei kaum auffallen. In Zeiten leerer Kassen wird die Hypothek des Leasingmodell zu oft als Geschenk begrüßt.
Wolfgang Kil kritisierte die im Buch dokumentierten und im Berg ausgestellten Ideenskizzen im vorgelagerten Symposium als naiv. Aber sie könnten nicht versponnen genug sein, denn im Wettkampf um die Machbarkeit ist dem Schloss kaum mehr beizukommen.
Ein Gebirgsmassiv in den Sand Berlins zu setzen, macht vielleicht den Maßstab klar: Eine nach der Endlosdebatte neue bauende Generation hat den Anspruch, mittendrin statt in der hochgejubelten Peripherie noch Undenkbares zu bauen.
Was immer an dem geschichtlich kontaminierten Ort entsteht oder nicht entsteht, es wird zum Symbol. Die mit immer austauschbareren Nutzungen, Geschichts- und Investorenmodellen aufgeblasene Fassade taugt kaum dazu. Vielleicht gibt der im Wahlkampf gelandete Berg dem nächsten gewählten Bauherrn Anstoˆü zum Nachdenken – ob der nächste Bau nicht etwas kühner sein muss als die Machbarkeit des kleinsten touristischen Nenners.

Jan Rinke