afrika post 2/2005 (Juni/Juli), S. 56


Hinfliegen, Ansehen!
Die Niederlande in Maputo

In der Hauptstadt Mosambiks vermutet keiner neue Architektur, die es ohne Exotenbonus in die europäische Fachpresse schafft. Es ist kein Hilfsprojekt, kein bautechnischer Kniff für eine Ausnahmesituation, sondern ein Export niederländischen Bauens, eine Visitenkarte des Landes, das wie kein anderes auf Architektur als Imageträger setzt.


Von Jan Rinke

Der renommierte Architektur-Fachverlag NAi Publishers hat ein ganzes Buch über diese moderne Architektur in Afrika veröffentlicht: Es geht um die niederländische Botschaft in Maputo. Auf das Buch wird nucht nur anbeißen, wer die Architektur des Rotterdamer Büros Claus en Kaan schätzt. Die Aufnahmen von Christian Richters versprechen brilliante Einblicke, die Raumstimmung den Vorrang lassen statt Fotografie als grafische Spielwiese zu missbrauchen. Doch das Buch zeigt weit mehr als hochqualitative Fotos einer Architektur für den Expertengeschmack.

Bauen geschieht an einem konkreten Ort, der eine Lage hat, einen Charakter, eine Geschichte. Er verhält sich zu seiner Stadt. Und in der Stadt leben Menschen. Der vorliegende Band degradiert diesen Kontext nicht zur Nebensache, sondern kreist die Architektur in einem weiten thematischen Bogen ein. Auf einer der ersten Seiten zeigt die Silhouette Afrikas und Europas die Entfernung zwischen Rotterdam und Maputo, dessen Nähe zu Südafrika. Ein schematischer Stadtplan veranschaulicht die Strukur der Stadt, die Lage der Botschaft zum Meer und zum Flughafen. Eckdaten vergleichen Mosambik mit den Niederlanden – zwei ungleiche Länder mit vergleichbar großer Gesamtbevölkerung, mit dem Gastgeber als fünftletztem im Human Development Index.

Doch warum bauen die Niederlande ausgerechnet in Maputo ein Aushängeschild ihrer Architektur? Die Aufwertung Mosambiks in der niederländischen Außenpolitik führte zum Neubau. Er ist Teil eines ganzen Programms neuer Vertretungen in Afrika, das auch Addis Abeba, Dar Es Salaam, Kairo und Dakar umfasst.

Maputos Genius loci

José Forjaz erläutert die Architektur Maputos anschaulich als Ergebnis der wechselvollen Geschichte. Zu Einf lüssen Portugals, Südafrikas und Mitbringseln aus dem portugiesischen Goa gesellte sich in den 20er Jahren ein vielgestaltiger Art Déco, den die Kolonie Exilanten der portugiesischen Diktatur zu verdanken hat. Dieser Mix führte sich fort im expressiven Modernismus sozialistischer Bau-Importe. In den Fotos beginnt diese wechselhafte Architekturgeschichte Maputos zu leben. Sie zeigen aber auch desolate Straßen und Toyota-Neuwagen, regen Kleinhandel, Bauruinen ebenso wie in pitoreske Straßenzüge. Der Blick aufs Meer offenbart den Charme der Lage und das soziale Gefälle mit ankernden Yachten an der Spitze.

Die Botschafterlimousine in der Straßenszene zu treffen, wartende Besucher am Zaun, dessen Lattenrhythmus wie das reiche Schalbild des Sichtbetons mit den Texturen der Stadt korrespondiert, leitet zur Dokumentation des Baus über, der immer wieder Ausblicke eröffnet. Der Anspruch, "Offenheit, Rationalität, Gastfreundschaft und Interesse" am Gastgeber zu symbolisieren, bleibt keine Floskel. Mit seinem umzäunten Vorplatz und dem weiten Vordach der Glasfront wirkt der L-förmige Bau einladend, ohne das Bedürfnis nach Sicherheit zu kaschieren. Er biedert sich nicht an. Fensteröffnungen zeigen subtile Adaptionen örtlicher Details und beleben die reduzierten Innenräume. Das markante aber gelassene Auftreten lässt die Botschaft selbstverständlich erscheinen – ein Zweckbau, dessen repräsentative Eleganz aus formaler Klarheit folgt.

Die sorgfältige Bebilderung des Buches erlaubt es, sich in der Botschaft zurechtzufinden. Man meint, den Bau kennen, wie die Geschichten um die Entstehung, die ihn neben seiner Gestalt zum Teil der Stadt machen. Hohe Transportkosten von Fertigprodukten aus Südafrika erzwangen und außergewöhnliche handwerkliche Arbeit. Dass gerade widrige Umstände Lösungen hervorbrachten, deren Qualität hierzulande nicht machbar wäre, gibt eine Ahnung vom kreativen Potential der Überraschungen, mit denen die Architekten immer wieder konfrontiert waren.

Als künftiger Besucher findet der Leser im Anhang einen Architekturführer, mit vielen Bauten, denen er schon in den Straßenszenen begegnet ist. Die 192 Seiten im B5 Format passen gut ins Reisegepäck und werden dank des robustes Einbands noch nach der Rückkehr eine gute Figur auf dem heimischen Coffeetable machen. Solche Architekturbücher wünscht man sich: schon als Buch ein Genuss und eine Aufforderung zum Reisen.