afrika post 2/2005 (Juni/Juli), S. 55


Schule macht Schule

Eine Dorfschule in Burkina Faso hat in der jüngsten Preisrunde den Aga Khan Award erhalten, einen der weltweit bedeutendsten Architekturpreise. Alle drei Jahre prämiert er Bauten der islamischen Welt. Sie sind technisch on the edge, bewahren kulturelles Erbe, stehen im Dialog mit anderen Kulturen und sind in verschiedener Hinsicht nachhaltig.


Von Jan Rinke

Unterschiedlichste Architektur filtert die prestigeträchtigen Auszeichnung heraus. Die Petronas Towers in Kuala Lumpur gehören in der jüngsten Runde ebenso dazu wie eine Moscheerenovierung im Jemen. Pluralität ist Programm und bildet Bewusstsein von islamischer Kultur jenseits der Klischees – nach außen wie innen. Da passt es gut, dass die augezeichneten afrikanischen Projekte Bildungsbauten sind. Die Bibliotheca Alexandrina weist selbst als Kind Mubaraks durch die studentischen Nutzer auf Wandel in Ägypten.

Mit der Schule in Burkina Faso wurde gleichzeitig eine filmreife Geschichte der Kraft von Bildung ausgezeichnet. Sie beginnt in Gando, im Süden des Landes: Jung verlässt Diébédo Francis Keré seine Familie, weil es keine passende Schule am Ort gibt. Mitte der 80er Jahre schafft er mit einem Stipendium den Sprung nach Deutschland zum Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin.

Um Gando an seinen Chancen teilhaben zu lassen, stiftet er eine Entwicklungsinitiative. Für die Schule soll niemand mehr sein Dorf verlassen müssen. Er entwirft, entwickelt Strategien, kontaktiert Behörden, sammelt mit seinem Verein "Schulbausteine für Gando" Spenden. Schließlich realisiert er den Bau. Doch der ist kein Geschenk, sondern von Anfang an auf Grundlage der Ressourcen und gemeinsam mit den Menschen und vor Ort erarbeitet. Es ist ihre Schule.

Neues Bewußtsein

Die Schule ist aus Lehm gebaut. Der ist reichlich vorhanden, hat den Ruf der Kurzlebigkeit, ist Baustoff der Armen. Kéré verwendet ihn so, dass er neues Ansehen gewinnt. Ein flacher Sockel wehrt Wasser am Boden ab, das weite Dach den Regen und die Sonne. Sein Blech zeigt den Abstand von romantischem Zurück zur Tradition. Das filigrane Fachwerk aus billigem Armierungsstahl läßt kühlende Luft durch das Gebäude strömen – eine innovative Konstruktion, von der Preisjury besonders hevorgehoben.

Konsequent untersucht Francis Kéré seine Neuerungen auf bauliche und wirtschaftlichen Vorteile. So verbindet er örtliche Tradition sparsam mit modernen Baustoffen und vermeidet, dass sie nutzlos Geld verschlingen. Schon im Bau war der Bau eine Schule – für Bauen. Er ist Multiplikator. Die Beteiligten werden mit oder ohne Preisträger ihr Wissen erneut anwenden und weitergeben.

Der Bau lehrt schon durch seine bloße Präsenz. Die Aufgeschlossenheit der Kinder Neuem gegenüber ist Teil der Strategie. Die Erfahrung besseren Bauens werden sie in ihr späteres Leben mitnehmen. Tatsächlich sind die Schüler in den drei hellen und gut durchlüfteten Klassenräumen aufmerksamer als im dunklen, überhitzten Vorgängerbau.

Das Projekt ist längst nicht abgeschlossen. Inzwischen sind Lehrerhäuser entstanden, denn Wohnraum ist ein Schlüssel, um gute Lehrer zu gewinnen. Weitere Maßnahmen werden folgen, aber es ist kein Zufall, dass die Schule der erste Bau dieser Bewegung ist. Ihre architektonische Qualität, ihre überlegten Details, ihre klar ablesbaren Proportionen unterstreichen den Wert der Bildung für die Zukunft Gandos.

Das Projekt zeigt ein grundlegendes Verständnis von Architektur. Sie muss mehr als bloße Funktionserfüllung leisten, zeigt ein Interesse am Ort, weil sie von Dauer ist. Häuser bleiben meist länger als ihre Nutzer, manchmal länger als ihre Nutzungen. Darin unterscheiden Sie sich von den schnellebigen Informationsmedien, die auch das Leben in Gando revolutionieren werden. Vielleicht braucht Bildung gerade deshalb starke Orte, Orte der Identifikation. Sie geben eine Antwort auf die Frage des Wozu von Information und Wissen. Für Kéré ist Gando eine Antwort auf diese Frage.

Die Schule wird nicht jedem die Möglichkeit geben, eine Spitzenbildung wie Kéré zu erlangen. Und es ist auch nicht das Ziel. Denn die Schule stärkt die Qualität des Orts und soll zuerst Chancen vor Ort wecken. Aber Bildung verbessert auch die Möglichkeiten der Kommunikation mit denen, die wegziehen – mit den Kérés und allen, die anderswo für Gando arbeiten. Entwicklung braucht Interesse am ganz konkreten Ort und Offenheit für die Welt. Think global – act local.


»Schulbausteine für Gando e.V.
»Aga Khan Award for Architecture