Fassung für www.wilkhahn.de, März 2005, Erstveröffentlichung: afrika post 1/2005 (März), S.


Bauen in Südafrika: Fast Forward Johannesburg

Wie sehr kulturelle Entwicklungen von ihrem gesellschaftlichen Kontext abhängen, wird vor allem in Umbruchsituationen deutlich: Die Galerie Aedes East in Berlin zeigt in ihrer aktuellen Ausstellung Beispiele aus zehn Jahren Planen und Bauen seit Ende des Apartheid-Regimes.

Anhand von acht Bauprojekten in und aus Johannesburg gibt die Kuratorin und Journalistin Dagmar Hoetzel einen Einblick in die neue Baukultur Südafrikas. Johannesburg als traditionell dynamischster Standort Südafrikas fungiert in der Ausstellung als Brennpunkt. Zwei Faktoren prädestinieren die Stadt für einen Versuch der Verortung des Bauens in der Gesellschaft: einerseits die rasante wirtschaftliche Entwicklung von Johannesburg und der Provinz Gauteng, andererseits das Erbe der radikalen Umsetzung der Segregation in der Stadtplanung.

Gezeigt werden Symbolbauten, die den gesellschaftlichen Wandel schon im Titel tragen, wie das Apartheid-Museum (GAPP, Mashabane Rose, Britz Roodt Vernootskap + Linda Mvusi Architects, 2003) oder der Constitutional Court (Urban Solutions / omm Design Workshop, 2004). Das Gerichtsgebäude zeigt hautnah den beeindruckenden Umgang mit der unbequemen Vergangenheit des Landes. Reste eines ehemaligen Forts und Gefängnisses für politisch Inhaftierte wurden integriert, und statt einer Musealisierung der Geschichte haben die Architekten eine Strategie der Rückeroberung angewandt, ohne die Erinnerung zu übertünchen. Im obersten Gericht Südafrikas bleibt auf diese Weise das frühere Unrecht als Mahnung für die junge Demokratie gegenwärtig.

Weniger prominente Projekte zeigen pragmatische Lösungen für ganz alltägliche Problemstellungen – so wäre der Bara Taxi Rank and Market (Urban Solutions, 2004/2005) als Minibus-Sammelpunkt üblicherweise eine Problemzone der Kriminalität in den Townships. Jahrelange Verhandlungen teilweise rivalisierender Kleinunternehmer brachten die künftigen Nutzer schon im Planungsprozess in einem gemeinsamen Projekt zusammen. Der sperrige Bau wurde so zu einem Identifikationspunkt, was eine von oben verordnete Infrastrukturmaßnahme kaum erreicht hätte

Die neue südafrikanische Botschaft in Berlin (mma architects, 2003) rundet den thematischen Bogen ab. Sie ist die erste Repräsentanz, die im Ausland mit südafrikanischen Architekten verwirklicht wurde. Leider wirkt der Bau im Vergleich zu den übrigen Arbeiten der Ausstellung etwas blass. Während die Beispiele aus Johannesburg ihre Kraft aus einem undogmatischen Umgang mit komplexen Rahmenbedingungen gewinnen, bleibt die Botschaft bei einem grundsoliden Umgang mit landestypischen Materialien stehen. Die Ausstellung gibt aber allen Grund zur Hoffnung, dass der nächste südafrikanische Architekturexport aufregender ausfällt und sich wahrnehmbar im hiesigen Architekturgeschehen zu Wort meldet.

Die Projektauswahl präsentiert sich bei Aedes sehr dicht, aber klar strukturiert. Als Auftakt lädt ein opulentes Modell des Constitutional Court zur Entdeckungsreise durch die Ausstellung ein. Jedem einzelnen Projekt ist eine Gasse mit Plänen, Skizzen und Fotos gewidmet. Die Bauten zeigen sich jeweils als eine eigene komplexe Welt, die mit und von ihren Benutzern lebt, die in Videointerviews zu Wort kommen. Am Ende darf der Besucher im Kabinettraum mit dem Botschaftsbau verschnaufen und so wieder in Berlin ankommen.

Anhand der sehr unterschiedlichen Bauaufgaben schafft die Ausstellung weit mehr als eine bloße Berichterstattung zum Baugeschehen an einem fernen Ort. Beispiele einer Planungskultur des Miteinander zeigen Bauen in Südafrika als Teil der neuen Art des gesellschaftlichen Umgangs. Und sie werfen die Frage auf, ob nicht die deutsche Diskussion zur Baukultur deshalb so angestrengt wirkt, weil hier Bauen kaum noch als Bauen an der Gesellschaft verstanden wird.

Jan Rinke


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