design report, 6/03 (Juni), S. 64f


Taschenspielerei

Dass in Handtaschen erhebliches Terrorpotenzial steckt, zeigte schon 1969 Monty Python's legendärer Sketch über randalierende Oma-Gangs: Betagte Damen schlagen mit ihren ewigen Begleitern "wehrlose, gesunde, junge Männer" zusammen. Kartin Schier hat mit ihrer Diplomarbeit im Fach Produktdesign an der FH Münster diesem alter ego der Handtaschen nun das passende Erscheinungsbild gegeben. Ihre Kollektion ViciousLadies zeigt sich als reinstes Arsenal des Terrors. Vier Taschengrößen bieten Platz für die Utensilien des täglichen Überlebenskampfes. Neben dem pistolenförmigen Grundmodell gibt es einen Revolver als Hüfttasche und die Handgranate als kleinsten Krambehälter. Eine geräumige Maschinenpistole mit Platz für ein zweites Paar Schuhe und einen Stockschirm rundet die Kollektion ab. Sie ist wie ihre kleineren Schwestern in feinem Rindsleder ausgeführt. Die Taschen sind bis ins Detail zielsicher: Aus Schichten von Teiltaschen zusammengenäht kehren sie die übliche Aufteilung einer Tasche in Fächer um. Die Grenze von Innen und Außen verschwimmt so wie die zwischen dem Container der Intimsphäre und dem Provokateur im öffentlichen Raum. Schnallen und Verschlüsse aus Edelstahl in Form des Fadenkreuz-Logos der Kollektion sind auch einzeln tragbar. Noch der Schmuck zeigt, dass die Grenze zwischen dem Zivilen und Militärischen endgültig weggepustet ist. Anders als bei Cargopants läßt sich hier der militante Auftritt nicht mit gesteigertem Nutzwert rechtfertigen. Die Qualität liegt im Regelverstoß, der sich bewußt ist, dass Schock und Noblesse, Geschmacklosigkeit und Trend eng beieinander liegen.

Jan Rinke


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